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Die Zeit der Stinte

Badische Neueste Nachrichten, 13./14. Dezember 2008

Barocke Fabulierlust –
Artur Becker las im Literaturhaus Karlsruhe

Von Peter Kohl

Er selbst bezeichnet sich als polnischen Autor deutscher Sprache und legt großen Wert darauf, dass sein Vorname ohne h geschrieben wird, sein Nachname sei schon deutsch genug. Artur Becker, 1967 in Bartoszyce geboren, kam zusammen mit seiner Familie als Spätaussiedler in den 80er Jahren nach Deutschland, genauer gesagt nach Verden an der Aller. Erst dort hat er Deutsch gelernt und zwar so gut, dass er seine Bücher in deutscher Sprache schreibt. Vor kurzem wurde er dafür zum Adelbert-von-Chamisso-Preisträger gekürt.
Dass er von seiner polnischen Heimat innerlich nicht losgekommen ist, zeigt auch sein neuer Roman »Wodka und Messer«, in dem der Held Kuba, der einst vor der Repression des polnischen Regimes infolge der Solidarność-Bewegung nach Deutschland geflohen ist, aus Berlin in die alte Heimat Masuren zurückkehrt, Familie und gut dotierten Job hinter sich lassend. Bei seiner Lesung im Karlsruher Literaturhaus bekam man einen ungefähren Eindruck von dem Figurenpersonal und wundersamen Ereignissen in Beckers umfangreichem Roman, der mit einem Bein in der polnischen Gegenwart, mit dem anderen in einer archaischen Märchenwelt steht, in der man mit Karpfen reden kann, in der ein See Opfer fordert, in der Untote unter den Lebendigen wandeln und ein greiser Jesuitenpater sich als Jude entpuppt, der den Nazis entkommen ist. Da gibt es eine einäugige Tante, die ihr Auge ausgerechnet bei der eigenen Hochzeit verloren hat, als sie sich einem schießwütigen betrunkenen Gast entgegenstellte, da gibt es eine geheimnisvolle Hoteldirektorin, die Kubas im Dadajsee ertrunkenen Geliebten verblüffend ähnlich ist.

Der redselige Autor verriet nach der Lesung, dass die Gegend um den Dadajsee so etwas wie sein Macondo sei, das ist der fiktive Schauplatz von Gabriel Garciá Marquez' Roman »Hundert Jahre Einsamkeit«. Dessen magischer Realismus hat ihn wohl ebenso beeindruckt wie Grass' barocke Fabulierlust. In den stärksten Passagen sind aber eine eigenständige poetische Kraft und ein unerschrockener, derber Humor spürbar, der deutschen Lesern beziehungsweise Hörern spürbar macht, dass es wohl so etwas wie eine slawische Seele gibt, die sich dem Mitteleuropäer nicht leicht erschließt. Für den Verleger Rainer Weiss, einen Suhrkamp-Abtrünnigen, der seinen eigenen Verlag Weissbooks gründete, scheint Beckers Roman ein gutes Geschäft zu werden. Weiss, der bei der Gemeinschaftsveran-staltung von Literarischer Gesellschaft und Stephanus-Buchhandlung ebenfalls anwesend war, gab Einblicke in seine Geschäfts- und Verlagspolitik. Einen neuen Verlag zu gründen sei immer riskant, in Zeiten der Finanzkriese womöglich aussichtslos. Sein eigener Verlag steht mittlerweile nicht zuletzt wegen Artur Becker auf recht solidem Fundament.


 

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