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Die Zeit der Stinte

Ö1-ORF.at, 28.11.08

Buch der Woche: Wodka und Messer. Lied vom Ertrinken

Beckers mittlerweile fünfter Roman handelt von einer Heimkehr an den Dadajsee, in dessen Tiefen viele düstere Geheimnisse versenkt zu sein scheinen.

Von Barbara Denscher

Der Dadajsee ist eines der vielen Gewässer der sogenannten Masurischen Seenplatte im Nordosten Polens: ein populäres Tourismusgebiet und - zumindest im Werk von Artur Becker - ein schicksalsträchtiger Ort, der den Autor nicht loszulassen scheint. Schon in Beckers erstem, 1997 erschienenem Roman war der See (der dem Werk auch den Titel gab) der zentrale Schauplatz. Thema war damals die Rückkehr eines Gastarbeiters in die Heimat gewesen. Auch Beckers neuer (mittlerweile fünfter) Roman handelt von einer Heimkehr an den See, in dessen Tiefen viele düstere Geheimnisse versenkt zu sein scheinen und der, wie die gesamte Gegend ringsum, geheimnisvoll und fast wie verwunschen wirkt.

Traumatische Erlebnisse

Viele der dramatischen Geschichten rund um den Dadajsee handeln von Ertrinken, wobei, so betont Becker, die Fiktion eine reale Basis hat: Tatsächlich verzeichnet die Unfallstatistik für diesen Moränensee, in dem es viele gefährliche Untiefen und Strömungen gibt, eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Ertrunkenen.

Im Roman ist es die Studentin Marta, die am Silvesterabend des Jahres 1981 im See umkommt. Sie und ihr Freund Kuba waren wegen politischer Aktivitäten in Zusammenhang mit der Solidarnosc-Bewegung ins Visier der Staatssicherheit geraten. Um einer Verhaftung zu entgehen, versuchen die beiden über den gefrorenen See zu fliehen. Marta bricht ein und ertrinkt - während ein Stasi-Mann vom Ufer aus zusieht, wie es dem verzweifelten Kuba nicht gelingt, die Freundin zu retten.

Es sind diese traumatischen Erlebnisse, die Kuba auch nach Jahren nicht loslassen - ebenso wenig wie die Erinnerung an jenen Tag, als sein eifersüchtiger Vater im Wodkarausch Kubas Mutter erstach. Mehr als 20 Jahre hatte Kuba, der nach Deutschland emigrieren konnte, dort geheiratet und zwei Kinder bekommen hatte, versucht zu vergessen - nun aber kehrt er an den See zurück. Er will mit der Vergangenheit abschließen - doch es zeigt sich sehr rasch, dass dies nicht möglich ist. Zu viele alte Rechnungen sind noch offen - für Kuba selbst, aber auch für seine Freunde und Verwandten. Denn die Opfer-Täter-Konstellation ist vielfach auch nach der politischen Wende dieselbe wie früher - und die ehemaligen Agenten, Spitzel und Verräter sind wohlbehalten im neuen System angekommen, ohne je Rechenschaft für ihr früheres Tun abgelegt zu haben.

Spannend und oft drastisch komisch

Rache zu nehmen scheint für Kuba zunächst die naheliegende Lösung zu sein. Immerhin ist der Geheimdienstmann, der einst Kuba und Marta über den See gehetzt hatte, nunmehr ein einflussreicher und wohlhabender Lokalpolitiker - der Pfarrer des Ortes dürfte das Paar damals verraten haben - und entpuppt sich nun überdies als der Vater jener Frau, in die sich Kuba bei seiner Rückkehr verliebt, weil sie Marta zum Verwechseln ähnlich sieht. Letztlich aber entscheidet - in einem dramatischen Finale - der See über das Schicksal der Menschen.

Artur Becker ist ein großartiger Erzähler, wenn es darum geht, Spannung aufzubauen, er versteht es, tempo- und aktionsreiche Handlungsbögen zu bauen, er hat Sinn für wirkungsvolle, oft drastische Komik und er kann sehr einprägsame Charaktere zeichnen. All das hat er schon mit seinen früheren Büchern bewiesen und all das findet sich auch in "Wodka und Messer". Dass das Werk zwar rund doppelt dick, doch wohl nur halb so packend ist wie etwa der Vorgängerroman "Das Herz von Chopin" liegt daran, dass Becker die Geschichte mit viel metaphysischem Brimborium sehr verlangsamt - und leider auch verkitscht. Da geht es um Reinkarnation und Verdammung, da wird der See zum Symbol der Weltenläufe, da gibt es sprechende Messer, Untote und Wiedergänger. Gut ist Becker vor allem dort, wo er zu "seinem" Themen zurückkehrt: der Problematik der Emigration.

 

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