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Sächsische Zeitung, 26.07.2016

Ein Roman über Hoyerswerda würde Aufstieg und Fall Pompejis nacherzählen – Der polnische Schriftsteller deutscher Sprache Artur Becker veröffentlichte den Essayband "Kosmopolen". Darin geht's auch um Hoyerswerda, die Stadt, in der er 2015 las.

Von Martin Schmidt

Artur Becker war am 28. August 2015 Gast des Kunstvereins im Hoyerswerdaer Schloss: im Rahmen der Reihe "Grenzgänger" stellte er seinen 2006 geschriebenen Schelmen-Roman "Das Herz von Chopin" vor. Am Rande der Veranstaltung zeigte er sich von Hoyerswerda beeindruckt: Hier seien die Wende-Prozesse wie "unter der Lupe", wie im Zeitraffer abgelaufen. Ob man das literarisch verarbeiten könne?

Das nunmehr 15. Buch Beckers

Nun ist das Ganze konkreter geworden. Vor Kurzem erschien im Verlag weissbooks.w in Frankfurt am Main als 15. Buch des polnischen Autors deutscher Sprache, eben Artur Beckers, der Band "Kosmopolen – Auf der Suche nach einem europäischen Zuhause". In 53 Essays, die zwischen 2004 und 2016 entstanden, nimmt der Autor den Leser mit "Im Zug durch Deutschland" (seine Wahlheimat) und "Im Zug durch Polen" (sein Geburtsland, genauer gesagt, die Masuren). Dort wurde Artur Becker 1968 geboren, wuchs in einer Multikultigesellschaft, wie heute gesagt wird, "zwischen Deutschen. Litauern, Weißrussen, Ukrainern, Polen und Juden auf". Seine polnische und seine deutsche Großmutter hüten seine Kindheit. Er wird früh selbstständig. Seit seinem 17. Lebensjahr schreibt und veröffentlicht er Gedichte in polnischer Sprache. Im gleichen Jahr darf er seinen Eltern nach Deutschland folgen. Seither lebt er in Verden an der Aller. 1989 wechselt er zur deutschen Sprache, versteht sich jedoch als polnischer Autor. Sein Vorbild ist der Literatur-Nobelpreisträger Czesław Miłosz (1911 – 2004), ein "Zeuge des 20. Jahrhunderts", und dessen Werk.
Faulkners Prophezeihung

Beckers Interessen wenden sich dem Studium der Geschichte, der Philosophie, der Theologie und der Literatur vieler Zeiten und Völker zu. Ebenso wie die polnische Literatur sind ihm die die deutsche, die englische und amerikanische vertraut. Es gelingt ihm, gleichsam einen Schlüssel zum Anliegen eines Schriftstellers und seines Werkes zu vermitteln, wie die Essays beeindruckend belegen. Kritische Blicke werden einfühlsam vermittelt. Artur Becker: "Die moderne Literatur des 21. Jahrhunderts wird viel mehr Verantwortung für den Menschen, der in unserer Zeit vor allem unter schrecklicher Einsamkeit leidet, übernehmen müssen, damit eines Tages William Faulkners Prophezeihung wirklich in Erfüllung gehen kann: ‚Die Menschheit wird nicht nur Bestand haben, sondern siegen.'"
Ernest Hemingway und William Faulkner werden gelegentlich als Vorbilder für den Stil seiner lebensvollen Erzählweise genannt, obwohl sie eigenständiger Geist und Erzählweise prägen. Der Leser kann Artur Becker, dem reisenden Schriftsteller, durch viele Länder und Städte folgen; Czerwonka, Bartoszyce, zur Wolfsschanze bei Gierłoż, zur Schlacht bei Tannenberg, nach Riga, Krakau, Danzig, Bremen, New York, Venedig und vielen anderen Orten widmet er eigene, durchaus neue, eigenwillige Betrachtungen, die sich in seinen Romanen wie in Essays wiederfinden.

"Flüchtlinge sind wir auch"

Dazu gehört auch: "Hoyerswerda: Flüchtlinge sind wir auch". Darin regt Artur Becker an, über die Stadt, in der er 2015 aus seinen Büchern las und Gespräche führte, "endlich den einzigartigen Wenderoman von 1000 Seiten zu schreiben, der ‚Hoyerswerda' hieße, der den Aufstieg und Fall von Pompeji noch einmal erzählen und der dem historisch ausgesperrten Menschen endlich helfen würde". Es würde gewiss ein spannend zu lesendes, zum Nachdenken anregendes Buch, wie seine Essays beweisen, in denen jeder Leser eine neue Sicht auf die Welt und auf seine Zeitgenossen entdecken kann. Wer fühlt sich wohl herausgefordert, Beckers Idee aufzunehmen?

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