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Die Milchstraße

Financial Times Deutschland vom 13.-15. Februar 2004

Pechvogel im Glück

Leben oder Leinwand? -
Artur Becker poetischer Roman über Film und Realität

Von Gustav Mechlenburg

"Deutschland war wie Sodbrennen." Ein Satz, der es nach ganz oben in der Rangliste des besten Romananfänge schaffen könnte. Es ist der erste Gedanke des Protagonisten aus Artur Beckers "Kino Muza", mit dem der Autor sich wohl selbst aus dem Herzen spricht. Irgendwie hat der gebürtige Pole Becker sich nie richtig mit seiner neuen Heimat anfreunden können. Seine Bücher spielen zwischen Polen und Amerika, kaum aber dort, wo er seit Jahrzehnten lebt: Deutschland hielt er bisher für "unpoetisch und unerotisch".
Von den Reichen und Orten zwischen Staaten, Systemen und Kulturen handelt auch "Kino Muza". Wer Beckers Erzählband "Milchstraße" gelesen hat, kennt bereits Motive und Personen. Die Handlung aus diesem aktuellem Roman konnte man in Ansätzen bereits Beckers Erzählung "Die zwölfte Insel" erfahren.
Trotzdem ist "Kino Muza" ein wunderbares Buch. Melancholie, Alkohol, Lug und Trug verbinden sich bei Becker zu menschelnder Poesie. Die Charaktere emanzipieren sich über die Zeit von ihren Klischeebildern. Die Handlung ist rasant erzählt und regelrecht spannend, nicht wegen des missglückten Versuchs, alles in einem Krimiplott einzuarbeiten, sondern durch den Beziehungsstress, der den (Anti-)Helden in Atem hält.
Antek Haack ist Kartenabreißer im Kino Muza im polnischen Bartoszyce. Er fährt einen Citroen DS, wie er in der Serie "Fantomas" zu sehen war und lebt nur auf der Leinwand in fremden Geschichten.
Im sozialistischen Polen der 80er Jahre ist das Kino staatlich und die Bürokratie so groß wie die Nischen, die sie lässt. Doch durch das Kino hält nicht nur die Moderne im Stille Hollywoods Einzug. Nein, im Kino versucht man sogar mit Kieslowskis "Ein kurzer Film über das Töten" den Staatssekretär für sich einzunehmen.
Obwohl Becker auch Motive aus seinen früheren Texten aufnimmt, leidet "Kino Muza" nicht an Wiederholungen. Und ich den Schlusskapiteln, die nach Anteks Flucht in Deutschland spielen, zeigt Becker, dass sein Schreiben nicht auf sozialistische Romantik beschränkt sein muss. Es wäre zu wünschen, dass er sich in künftigen Romanen vermehrt dem Hier und Jetzt zuwendet.

© Gustav Mechlenburg

 

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