|
Hannoversche
Allgemeine vom 18.11.03
Pechvogel
im Glück
Artur
Beckers Roman Kino Muza
Von
Regine Meyer-Arlt
Juni
1988: Der Kommunismus in Polen liegt in den letzten Zügen,
und Antek Haack kehrt in seine masurische Heimat zurück, um
mit seinen Freunden das staatliche Kino Muza in Bartoszyce zu kaufen.
Zuvor war er, wie in jedem Jahr, drei Monate lang Geld verdienen
in Bremen. Doch aus dem Kinokauf wird nichts, denn die Staatssicherheit
will ihn zum Spitzel machen. Hals über Kopf flieht er für
immer nach Deutschland.
Artur Beckers Roman "Kino Muza" schildert das Schicksal
eines deutschstämmigen Polen, der zwischen beiden Ländern,
die ihm keine Heimat sein können, zerrieben wird. Damit der
Konflikt schön anschaulich wird, hat Antek in jedem Land eine
Geliebte, eine dritte folgt ihm aus Polen in den Westen. Antek hat
eben Glück bei den Frauen, doch ansonsten ereignet sich eine
Katastrophe nach der nächsten. Erst fährt er seinen mühsam
ersparten Mercedes zu Schrott und wird ausgeraubt, dann erleidet
sein Vater mehrere Schlaganfälle, dann wird Antek verlassen,
und so weiter und so fort.
All das schildert Becker mit einem feinen Sinn für absurde
Komik, und auch seine Hauptfiguren stattet er mit liebenswürdigem
Humor aus. Doch das hat offenbar seinen Preis: Die Dramatik der
Ereignisse findet so kaum Einzug in die Erzählhaltung; die
Geschichte plätschert, angereichert um allerlei kulturhistorische
Betrachtungen, eigenartig ruhig vor sich hin. Fast entsteht der
Eindruck, als seien nicht nur die polnischen Protagonisten, sondern
auch der Erzähler selbst gelähmt vom langen Warten auf
das Ende des Kommunismus. Vielleicht kommt deshalb der schockierende
Ausgang des Romans so unvermittelt.
Die Geschichte spielt etwa zu einem Viertel in Deutschland und zu
drei Vierteln in Polen, und in diesem Verhältnis scheint auch
der Autor seine Sympathie zu verteilen. Der ist selbst in Bartoszyce
geboren und 1985 als Sohn polnisch-deutscher Eltern im Alter von
16 Jahren nach Verden umgesiedelt, wo er derzeit auch lebt. Doch
die Passagen seines neuen Romans, die in Deutschland spielen, sind
eher nüchtern und blass geraten.
Macht nichts. Der Autor, der im vergangenen Jahr das Jahresstipendium
für Literatur des Landes Niedersachsen erhielt, gleicht das
mit den anrührenden Schilderungen des masurischen Lebens wieder
aus.
©
Regine Meyer-Arlt
|