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taz
Bremen vom 18. November 2003
Pointen
mit polnischem Akzent
Der
Autor Artur Becker ist mit seinem Roman "Kino Muza" im
Rahmen der Lesereihe "Literatour Nord" unterwegs
Von
Wilfried Hippen
"Bei
jeder Lesung erfahre ich etwas Neues über mein Buch und mich!"
So kommentierte der 35-jährige Autor Artur Becker am Sonntagmorgen
in Oldenburg die Einführung durch den Germanisten Manfred Dierks,
der in Beckers neuen Roman "Kino Muza" das "Picarro-Muster"
aus der klassischen spanischen Literatur entdeckt haben wollte.
Aufschlussreiche Zeiten für Becker: Nach der morgendlichen
Lesung in Oldenburg las er am Abend in Bremen, heute ist er in Lüneburg
und morgen in Hannover. Becker ist einer von sechs Autoren, die
im Rahmen der Lesereihe "Literatour Nord" in insgesamt
fünf Städten Station machen.
Nicht jeder Autor kann auch gut vorlesen, doch bei Artur Becker
möchte man am liebsten das ganze Buch aus seinem Munde hören.
Auf dem Papier kann man den Akzent des gebürtigen Polen nur
an den ungewohnten Sprachbildern erahnen, aber wenn Becker redet,
dann ist der polnische Tonfall immer präsent. Und auch die
Pointen in seinem Roman zünden besser, wenn er selber sie mit
einem guten Sinn fürs Timing präsentiert.
"Bei mir ist alles autobiografisch, weil ich nicht mit der
Fiktion klarkomme", sagte Becker über seinen letzten Roman
"Onkel Jimmy, die Indianer und ich" und das hat sich auch
beim neuen Werk nicht geändert: Der Antiheld von "Kino
Muza" hat eine ganz ähnliche Biographie wie Becker selbst.
Beide sind in dem kleinen Örtchen Bartoszyce als Söhne
polnisch/deutscher Eltern in Masuren geboren und kamen als Jugendliche
nach Bremen.
Becker beschreibt dieses Leben mit einem genauen Gespür für
das Detail, und so ist "Kino Muza" auch ein Heimatroman,
in dem beispielsweise steht, wie es in der Künstlerkolonie
am Bremer Güterbahnhof in den späten 80er Jahren aussah,
und wie damals die Arbeitsbedingungen in einem Behindertenheim bei
Allertal waren.
Der oft unstimmige Plot des Romans wurde bei der Lesung nicht deutlich,
und weil Becker solch ein guter Interpret seiner Texte ist, könnte
er durchaus Chancen haben, den mit 15.000 Euro dotierten Preis der
"Literatour Nord" zu gewinnen. Vergeben wird der von einer
Jury, die die veranstaltenden Buchhandlungen, Literaturbüros
und Universitäten besetzen. Seit 1992 gibt es dieses Gemeinschaftsprojekt
der Literaturförderung, gewonnen haben schon Wilhelm Genazino,
Robert Gernhardt und Bodo Kirchhoff. In diesem Jahr folgen auf Becker
in Monatsabständen noch Daniel Kehlmann, Peter Stramm, Annette
Pehnt und im Februar dann Michael Kumpfmüller.
©
Wilfried Hippen
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