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Rhein Main Presse / Wormser Zeitung, 03.05.2008
Lebendige Geschichte mit Komik gespickt
Von Bea Witt
Mit der Lesung des deutsch-polnischen Schriftstellers Artur Becker wurde das Programm der »Polnischen Tage« im Foyer des Lincoln-Theaters fortgesetzt. Vergnügliche Unterhaltung bot der Autor mit Passagen seines Romans »Das Herz von Chopin«. Es waren leider nur wenige Besucher gekommen, was die Veranstaltung allerdings nicht schmälerte, sondern ihr einen gemütlichen, fast privaten Rahmen gab. Durch die ausdrucksstarke Art des Vorlesens waren die Zuhörer gleich mittendrin im Geschehen.
Gespickt mit meisterhafter Situationskomik beschrieb der Autor die Geschichte des jungen Polen Chopin, der 1983 die Heimat verlässt, um in Bremen sein Glück zu suchen. Er will dem politischen System Polens und der erzieherischen »Zwangsjacke« seiner Eltern entfliehen und sieht in Deutschland das Synonym für Freiheit und Wohlstand. Sein fester Vorsatz ist, nie zu werden wie der Vater, der sich unter Alkoholeinfluss in endlosen Schimpftiraden über Politik, Katholiken und Kommunismus ergeht.
Ein Stück Heimat wird mit der Straße seiner Kindheit beschrieben. Er berichtet vom Feindbild »Kommunisten«, den bigotten Gläubigen und den Kellern der Freimaurer. Er erzählt von der ersten Liebe, den Rockkonzerten und Schlägereien mit den Punks, den Alkoholexzessen und einer selbst geschriebenen Todesliste. Schmerzvoll erlebt der 15-jährige Chopin die Ausreise aus dem Heimatort, denn er muss die geliebte Freundin zurücklassen und kommt nach Bremen. Seinen Traum vom Polizeikommissar nach dem Vorbild Alain Delons kann er nicht verwirklichen. Er wird Autohändler, erlebt konfliktreiche Situationen mit Kunden und Geschäftspartnern und fängt an zu trinken. Immer mehr gleicht seine Existenz dem Leben, das er in Polen eigentlich hinter sich lassen wollte. Zur Eskalation führt ein Besuch der Eltern, die Chopin als Vertreter einer »verlorenen sozialistischen Generation« beschreibt. Die anfängliche Freude »Junge, du hast es geschafft« endet mit der Bitterkeit der Mutter über ihr Leben mit dem Vater (»Er ist ein Ungeheuer«) und der Erkenntnis beim Sohn: »Es ist zu spät, du bist schon so wie er.«
Artur Becker, 1968 in Bartoszyce in Masuren geboren und seit 1985 in Deutschland lebend, hat zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen erhalten. Der Roman »Das Herz von Chopin« trägt deutliche autobiografische Züge, denn auch Artur Becker ist als Jugendlicher nach Deutschland ausgereist. Die »Polnischen Tage« laufen vom 27. April bis zum 15. Mai und werden vom Internationalen Bauorden und MdB Klaus Hagemann in Kooperation mit dem BdKJ und dem Kulturbüro veranstaltet.
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