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Frankfurter Rundschau, 2. Februar 2008
Wenn Chopin grunzt
Der Schriftsteller Artur Becker kam im Alter von 16 Jahren von Polen nach Deutschland. Seine Romane schreibt er in deutscher Sprache, und das, obwohl er, wie er in einem bemerkenswerten Gespräch mit dem bosnisch-deutschen Autor Saša Stanišic ausführte, auch heute noch um das Verstehen ringen müsse, weil dies ein lebenslanger Prozess sei.
Becker erzählt: »Für mich war das ein langer Kampf. Ich habe 1987 noch Gedichte in polnischen Zeitungen veröffentlicht. Ich habe mich später, 1990, bewusst fürs Deutsche entschieden. Nicht für die Tradition der deutschen Literatur und Sprache. Mir war klar: Ich werde nur im Deutschen meine Leser erreichen. Und ich wollte nicht für die Schublade schreiben.«
Diese Gefahr besteht inzwischen ohnehin nicht mehr: Diverse Romane, Novellen, Erzählungs- und Gedichtbände hat Becker mittlerweile veröffentlicht. Zu seinen bekanntesten Werken zählt »Der Dadajsee« von 1997, der die Rückkehr eines polnischen Gastarbeiters aus Deutschland schildert. Der bislang letzte Roman trägt den Titel »Das Herz von Chopin«. Auch darin gibt es eine Szene, die mit dem Spracherwerb unmittelbar zu tun hat: Beckers Held Chopin packt im Jahr 1983 seine Sachen und geht von Polen nach Bremen, wo er sich als Autohändler versucht. Eines Tages steht er in der Metzgerei vor der Fleischtheke und muss, um seinen Einkaufswunsch verständlich zu machen, wie ein Schwein grunzen. Situationskomik dieser Art beherrscht Artur Becker.
Und wie Chopins Karriere im Westen weitergeht, sollte man sich am besten selbst anhören. Es kann turbulent werden. Und was sollte man mit einem Sonntagvormittag auch sonst anfangen?
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