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Neues Deutschland , 14.6.2007

Artur Becker zog Richtung Bremen – Etüde Leben

Von Harald Loch

Der junge Gebrauchtwagenhändler mit dem polnischen Akzent, den er manchmal als ostpreußisch ausgibt, nennt sich Chopin. Zur Zeit der Vereinigten Kommunistischen Arbeiterpartei war er aus Polen in die BRD emigriert. Er stammt – wie der Autor – aus Bartoszyce in den Masuren. »Jungen Käufern sagte ich, in meinen Adern flösse das Blut von vier Sippen: deutsches, polnisches, russisches und jüdisches.«

Artur Becker lebt seit 1985 in Verden, nicht weit von Bremen. Er tauschte seinen Heimatfluss, die Lyna, die unter den Deutschen Alle hieß, mit der Aller, die kurz vor Bremen in die Weser fließt. Chopins Erinnerungen an seine Kindheit und seine in Polen gebliebenen Eltern durchziehen die Reichtum verheißende Gegenwart. Der Handel mit gebrauchten Autos ist einträglich aber unbefriedigend, die Kompagnons ziehen ihn über den Tisch. Er kommt mit sich selbst nicht klar und zieht sich auf den Alkohol zurück. Wenn nicht plötzlich M.M. aufgetaucht wäre – so kürzt sich Maria Magdalena ab, die unwiderstehlich seine Geliebte wird −, hätte er keine Perspektive. Sie deckt seine Probleme liebevoll, aber schonungslos auf und bringt ihn zur Besinnung. Sie werden gemeinsam neu anfangen: ein sattes Startkapital hat Chopin im Autohandel verdient, der Zufall beschert ihm die Aussicht auf ein kultiviertes Handelsgeschäft in Berlin, ein Kind unterwegs …

Der Roman reiht sich an frühere Texte Beckers wie »Die Zeit der Stinte« oder auch »Onkel Jimmy, die Indianer und ich« an. Zweimal hat der Autor in Klagenfurt gelesen. Beide Male gelangte er in die engere Wahl, die höheren Weihen blieben ihm aber versagt. Vielleicht zu Unrecht; denn das Grundthema seiner Literatur, der im Vordergrund stehende »Migrationshintergrund«, ist in seiner Prosa gut aufgehoben. Mit Humor und geschickter Dramaturgie nimmt er Zustände wahr, die sonst nur mit Schlagworten und Vorurteilen vernebelt werden. Das Temperament von Beckers »Chopin« schwankt zwischen Revolutionsetüde und Regentropfenprélude. Becker gelang ein aktueller Roman, der in guter Dosierung sentimental und trotz aller kleinen Katastrophen eigentlich optimistisch ist – wenn da nicht ein grundsätzlicher Zweifel bliebe. Aber wer hätte den nicht eigentlich, wenn der Rotwein alle und die Geliebte zur Arbeit ist. Man verspielt sich leicht in der Etüde, die »Leben« heißt.

 

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