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Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 9. Oktober 2006

Vogelperspektive – Schriftsteller Artur Becker las im Literaturbüro

Von Claudia v. Dehn

Kassel. Wenn ein polnischer Schriftsteller über Chopin schreibt, denkt man an Musikalisches. Doch die voreilige Erwartung täuscht. Der Romanautor und Lyriker Artur Becker, 1968 in Bartoszyce (Bartenstein) geboren, der seit zwanzig Jahren in Deutschland lebt, hat anderes im Sinn. Zwar heißt der Held seines autobiografisch gefärbten neuen Romans »Das Herz von Chopin« wie der berühmte Komponist, doch das ist nur sein Spitzname, den seine Jugendfreunde ihm aus einer Laune heraus gaben (»Du siehst so stinkegeil aus wie der Chopin nach seinen Konzerten«) und der hängen blieb.
Statt romantischer Klavieretüden liebt er die Rockmusik. Zwei gegensätzliche Einflüsse bestimmten seine Jugend: »Ewige Nacht und Rote Fahne« – die katholische Kirche und Kommunismus. Weil er nicht so werden wollte wie sein Vater, ein Trinker, setzte Chopin sich nach Westen ab. Die Freundin durfte nicht mit und heiratete einen anderen. So musste sich Chopin, dessen Vorbild der »eiskalte Engel« Alain Delon war, allein durchschlagen in Deutschland und landete in Bremen, wo er Gebrauchtwagenhändler wurde. Hier findet er eine neue Liebe, Maria mit den grünen Augen. Doch als sie ihn verlässt, fängt er an zu trinken – ganz wie der Vater.
Mit Witz und Ironie erzählt Becker vom Zusammenprall der Lebensstile, von grotesken Begegnungen, vom Alltag in Deutschland aus der »Vogelperspektiv« des Einwanderers, die vieles allzu Gewohnte absurd erscheinen lässt. Der bereits mit einer Reihe von Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnete Autor ist Grenzgänger mit offenem Blick für seine Herkunft und sein neues Heimatland in dessen Selbstfindungsprozess – nicht nur literarisch, sondern auch mit scharfsinnigen Analysen von Politik und Gesellschaft, wie in der folgenden Diskussion deutlich wurde.

Artur Becker: Das Herz von Chopin, Hoffmann und Campe Verlag, 287 Seiten, 22 Euro

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