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Rückkehr in die alte Heimat

Kowalski trifft Schmidt vom 02.09.2001

Rückkehr in die alte Heimat

Beitrag von: Matthias Frickel

Verden an der Aller, eine Kleinstadt in der Nähe von Bremen. Sein halbes Leben hat der 33 jährige Schriftsteller hier verbracht. Dennoch spielen die meisten seiner Geschichten ganz woanders, in Ermland und Masuren.

O Ton Artur Becker
Schriftsteller
Manchmal denke ich, das Land, aus dem ich komme, gibt es überhaupt nicht mehr. Und manchmal ist es so nah, dadurch dass ich über diese Land schreibe, dass es gleichzeitig surrealistisch wirkt.

An der Aller macht Artur Becker das, was er auch in Masuren getan hat : Er geht mit Freunden Angeln und arbeitet an seiner Literatur.

Früher schrieb er auf polnisch. Heute schreibt er ausschließlich auf deutsch.

O Ton Artur Becker
Das fasziniert mich, auf deutsch zu schreiben, weil ich jedes mal diese Sprache neu entdecke, jeden Satz, jedes Wort, weil das im Grunde genommen doch jedes Mal neu geboren klingt.

“Onkel Jimmy, die Indianer und ich“ heißt Artur Beckers jüngster Roman. Er handelt von Jimmy Koronko und seinem Neffen Teofil, die in Kanada ihr Glück suchten und eines schönen Tages nach Czerwonka in die Masuren zurückkehren.

O Ton Artur Becker
Wir sind wie durch ein Wunder zurückgekommen und stehen nun mit leeren Händen da. Zurückgekommen nach Rothfließ und Czerwonka. Es ist Sommer 1993 und Jimmy ist auf der Flucht. Auf der Flucht vor seinem kanadischen Schuldenberg. Er ist zurückgekommen nach Warmia und Masuren, um ein bisschen zu verschnaufen. Und ich ? Ich bin inzwischen sechsundzwanzig und will wissen, ob es die alten Orte meiner Kindheit noch gibt.

Auch für Artur Becker ist eine Reise nach Czerwonka eine Reise in die Kindheit. Eine alte Frau erzählt, wie belebt der Bahnhof früher gewesen sei.

O Ton Artur Becker
Czerwonka ist ein magischer Ort, in dem Sinne, weil dieser Ort so still ist. Bahnhöfe sind zwar immer magische Orte. Aber selten gibt es Bahnhöfe in Deutschland, die so still sind, wo die Zeit und der Ort verschwinden.

Schon Beckers erster Roman “Der Dadajsee“ spielte hier in Czerwonka, oder Rothfließ wie man früher sagte.

O Ton Artur Becker
Ich werde nie vergessen, wie wir in unserem ersten gemeinsamen Sommer zu der ‚Liebesinsel’ im See von Rothfließ ruderten und dort barfuss durch Silberdisteln, Brennnesseln und Schilf spazierten. Ich war gerade 16 Jahre alt geworden und sehr stolz darauf, dass ich endlich verliebt war in ein älteres, in das schönste Mädchen der ganzen Welt. Ich war der König der Löwen von Warmia und Masuren, der einzige wahre Held.

Bis zu seinem 17. Lebensjahr hat Artur Becker jeden Sommer am Dadajsee verbracht. Die Helden seiner Geschichten haben hier ihre realen Vorbilder. Hier schrieb er seine ersten Gedichte, bevor er nach Deutschland ging.

O Ton Artur Becker
Das Problem war, dass ich schon mit 15, 16 Jahren sehr gute Publikationen in Polen hatte. Und es war gar nicht so, dass ich mir gesagt habe, jetzt komme ich nach Deutschland, jetzt bin ich ein wunderbarer deutscher Autor, der jung ist und talentiert und jetzt schreib ich schön auf Deutsch. Das war schon ein großer Kampf, weil mir sehr bewusst geworden ist dann im Laufe der Zeit, dass ich von der polnischen Literatur wegkomme.

Dass Artur Becker Polen Mitte der 80er Jahre mit seinen Eltern verließ, hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Das ehemalige Ostpreußen war damals das Ende der Welt.

Beckers Geburtsstadt Bartoszyce, das frühere Bartenstein, entwickelt sich langsam zu einem Tor nach Osten. In der Nähe gibt es einen Grenzübergang nach Russland. Auch die deutsche Geschichte der Region ist für die Bewohner kein Tabu mehr. Artur Becker benutzt in seiner Prosa polnische und deutsche Ortsnamen. Beim Wiederaufbau der hiesigen Kirche haben Polen auch eine Tafel der im Ersten Weltkrieg gefallenen Deutschen restauriert.

O Ton Artur Becker
Das hat schon sehr viel mit meinen Großvätern zu tun, die sich beide während des Krieges, des Zweiten Weltkrieges, quasi bildhaft gesprochen, gegenüber standen. Der eine Großvater war in der Wehrmacht, der andere war in der polnischen Armee. Das ist ein Unzustand, eine Merkwürdigkeit, die gleichzeitig zeigt, wie wahnsinnig Menschen sein können.

Als Pole geboren ist Artur Becker heute vor allem ein deutscher Schriftsteller. Wie empfindet er eine solche Reise in die Vergangenheit ?

O Ton Artur Becker
Ich komme als Deutscher, und wenn ich wieder zurückfliege oder fahre, komme ich natürlich wieder als Pole.

Im nächsten Frühjahr sollen Beckers Romane auch auf Polnisch erscheinen.

Kamera Piotr Solecki
Schnitt Ute Kraatz
Produktion ORB

 

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