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Onkel Jimmy, die Indianer und ich

Am Erker, Literaturzeitschrift, Winter 2001 

Das Urteil

Von Kuno Päffkes

„Erdig“, sinnierte Zülle und ließ französischen Merlot an seinem Gaumen perlen, „das ist mein Urteil.“ Jedes seiner Worte war eine Ohrfeige. „Erdige Prosa“, hatte ich getönt, als ich die Drachen-Klause betrat und Artur Beckers Roman Onkel Jimmy, die Indianer und ich auf den Tresen legte. Statt mein belesenes Urteil – wie gewöhnlich – zu überhören und mir wortlos Wein zu kredenzen, las Zülle laut den Klappentext: „... ist die Stärke dieser erdigen Prosa.“ Er sah mich spöttisch an: „Du machst auf Kritiker und hast in Wirklichkeit nur den Schutzumschlag überflogen.“

Na warte! Diese Worte packten mich an meiner Ehre. Ich hatte das Buch gelesen, ich konnte erdig darüber reden. So erdig, wie Beckers Ich-Erzähler Teofil, der den Schlamm seiner masurischen Heimat von den Stiefeln kratzt und nach Kanada auswandert. So erdig, wie die schonungslose Beichte seiner zahllosen Schwarzarbeiter-Jobs im Großraum Winnipeg. So erdig, wie Onkel Jimmy, der seine Erfolge als polnischer Abzocker vergeblich in Kanada wiederholen will. So erdig, wie die stoischen Navajos, die den Einwanderern aus mancher Zwickmülle helfen.

Als sich die Weinstube nach Mitternacht leerte, erzählte ich Zülle davon. Er schaltete den Fernseher über der Theke ein. Vielleicht hörte er mir zu. Vielleicht schaute er die Holzfäller-Wettkämpfe im DSF-Nachtprogramm. „Erdig“, murmelte er.

© Kuno Päffkes


 

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