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Nordsee-Zeitung, Bremerhaven, 7. Dezember 2001
Die Idee mit dem sprechenden Sarg
Artur Becker liest aus skurrilem Roman
Von Georg Ahrens
Es mag Bücher geben, da klappt es gar nicht, bei anderen läuft es nur langsam an. Und dann sind da die, bei denen das „Kopfkino“
sofort anspringt. Ohne Vorprogramm ist der Leser gleich im Hauptfilm, schon auf der zweiten Seite. Einen solchen Roman hat Artur Becker geschrieben: „Onkel Jimmy, die Indianer und ich“. Bei der Lesung im
Pferdestall wurde schnell klar: Hier schreibt ein Könner, der über eine gehörige Portion Mutterwitz und feinen Humor verfügt.
Becker erzählt seine Geschichte in einem klaren Stil, er kommt immer gleich
auf den Punkt. Keine langen Schachtelsätze, die hinten nicht mehr zugehen, keine kunstvollen Dialoge. Worum geht es?
1984 wandern Teofil Baker, seine Freundin Agnes und sein Onkel Jimmy aus Masuren nach
Kanada aus. Der Onkel ist Erzkommunist und „Philosoph“. Würde er nicht sofort verschwinden, müsste er in den Knast. Er weiß: „Erstens, man darf niemals von der Hand in den Mund leben. Mit anderen Worten:
Wie du dich auch drehen magst, der Arsch ist immer hinten.“
Agnes träumt von einem besseren Leben in der Neuen Welt, und Teofil geht mit, weil Agens geht. So einfach ist das. Nach neun Jahren kehren
Teofil und sein Onkel wieder nach Polen zurück, auf der Flucht vor ihren Gläubigern. Alles endet da, wo es begonnen hat, in dem kleinen polnischen Dorf.
Dazwischen versuchen sie, das große Geld zu machen.
Jimmy verdingt sich als Leichenwagenfahrer. Dabei öffnet er schon mal einen Sarg und sucht nach Wertgegenständen. „Wer tot ist, braucht nichts mehr; außerdem warum wollen sie den armen Opa mit einem
Rasierapparat begraben?“ Aber es ist kein Rasierer, sondern ein Sprachgenerator: „Der Typ hatte keine Stimmbänder mehr.“
Hieraus entwickeln beide später die Geschäftsidee mit dem sprechenden Sarg.
Die Toten bekommen einen Stimmgenerator, der mit einem Funkgerät verbunden ist. Geben sie im Sarg einen Ton von sich, geht in der Zentrale der Alarm los. Wieder daheim, wird Onkel Jimmy dem Gemeindevorsteher seine
13 Kreditkarten zeigen: „Schaut her, ich bin in Amerika ein reicher Mann geworden.“
Nach rund 250 Seiten schließt sich der Vorhang. Schade. Aber wie zum Trost schreibt Becker im letzten Satz: „Was
bleibt, läuft nicht weg.“
© Georg Ahrens
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