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Die Milchstraße

Nordsee-Zeitung vom 3. Dezember 2002

Die polnischen Weltenwanderer

Märchenhaft spitzbübisch: Autor Artur Becker erzählt im Pferdestall

Von Florian David

Bremerhaven. Er will nicht in die Ecke der Heimat-Dichter gestellt werden, die nostalgisch an ihre Herkunftsorte gebunden bleiben. Artur Becker, 1968 in Bartoszyce im Masuren-Land geboren, begreift sich als Autor ohne Heimat. Und wie er selbst, so sind viele Figuren seiner Romane und Erzählungen irgendwann aus Polen aufgebrochen Richtung Westen, nach Bremen oder Hamburg, wo es sie nicht lange hält, bis sie zum Sprung nach Amerika ansetzen.

Becker, seit 1985 in Verden bei Bremen zu Hause, liest zum zweiten Mal im Pferdestall. „Die Milchstraße“ ist der Titel seiner gerade erschienenen Sammlung von Erzählungen. Wie in seinem Auswanderer-Roman „Onkel Jimmy, die Indianer und ich“ versammeln sich da schräge Typen, Überlebenskünstler, kauzige Alte und Frauen, die den Männern das Leben schwerer oder leichter machen. Die Sprache dieses Erzählers ist wie ein schlichter klassischer Blues, in dem der raue Ton alles zugleich enthält: Weisheit, Wehmut und Witz.

In »Das Haus von Frau Prajloska“ verliert ein alter Holzfäller in den masurischen Wäldern erst seinen Job, dann stirbt seine Frau, die ihn enterbt hat, so dass er im Zirkuswagen leben muss. Zwei reiche Deutsche – im Restaurant „Abrakadabra“ – sind eine Enttäuschung. Aber da taucht plötzlich die schöne Juristin Krystyna auf.

So märchenhaft wie dieser Schluss, so märchenhaft spitzbübisch ist Artur Beckers Erzählton: Das Leben geht trotz aller Niederlagen immer weiter, und der Erzähler beleuchtet die unruhigen Verhältnisse seiner Figuren mit einem Humor, der sie nicht verniedlichen will, aber dem lebendigen Leben das letzte Wort gibt.

Zwei uralte Fotoapparate

In „Zwei Fotografen“ ist eine merkwürdig zusammengewürfelte Familie aus Polen in Hamburg gestrandet. Zwei junge Männer, eine junge Frau, mit dem Ich-Erzähler verheiratet, und dessen Vater leben notdürftig als WG zusammen. Als der Vater in seinem Gepäck zwei uralte Fotoapparate wiederentdeckt, schickt er die drei Jüngeren nach New York zu einem Freund aus alten Heimatzeiten, der als Hotelier sein Geld gemacht hat. Und obwohl alle Glückserwartungen enttäuscht werden und New York für die Neuankömmlinge zum teueren Pflaster wird, verlieren die drei Weltenwanderer keineswegs ihren schlagfertigen Witz. So bleiben von der „Hauptstadt unserer Galaxis“ die Bilder mit der „russischen FED 3, meiner Weltraumkamera“.

Es spricht viel für die These, dass das Herausfallen aus der Heimatkultur und das Eintauchen in eine andere zu einer ungewöhnlichen Klarsicht führt, zu einer Helligkeit des Geistes, zu einer Vitalität der Sprache und der Geschichten, die wie ein Ausweg aus literarischen Sackgassen anmutet. Becker, der auch ein leidenschaftlicher Leser ist, möchte mit dem Publikum am liebsten über seine amerikanischen Lieblingsautoren reden, die kein Wort, kein Adjektiv zu viel geschrieben hätten.

Man darf auf sein neues Buch gespannt sein, die Geschichte eines Kartenabreißers in einem polnischen Kino, dessen Name „Kino Muza“ schon in einer Erzählung auftaucht, um vom nächsten an zum Titel und Thema eine großen Romans zu werden.

© Florian David

 

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