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tip Berlin, LiteraTour, Dezember 2001
Einmal Kanada und zurück
Artur Becker liest aus seinem Roman „Onkel Jimmy, die Indianer und ich“
Von Andreas Burkhardt
Drei brechen auf, brechen aus, verabschieden sich von ihrer denkwürdigen Existenz im kommunistischen Polen und suchen in der Ferne ihr
Glück. Aber wo liegt dieses Glück? Für den 1968 in Masuren geborenen Autor Artur Becker liegt das Glück in Kanada.
Neun Jahre wird die Reise von Onkel Jimmy, seinem 16-jährigen Neffen Teofil und Agnes,
Teofils erster großer Liebe, dauern. Neun Jahre voller Erwartungen und herzhaft-chaotischen Irrgängen. Neun Jahre für die eine Erkenntnis, am Ende mit genauso leeren Händen dazustehen wie am Anfang. Dabei lassen
die drei Abenteurer fast nichts aus, verdingen sich im Bestattungs- und Baugewerbe und betätigen sich als Sushi-Verkäufer – aber alles ohne den erhofften durchschlagenden Erfolg. Selbst ein Besuch im
Indianerreservat bleibt für den passionierten Biertrinker und Hobby-Philosophen Onkel Jimmy ohne größeren Erkenntniswert. Die einzige, die die Flucht in die kanadische Unbegrenztheit zu ihrem Vorteil nutzt, ist
Agnes. Sie studiert Medizin und gibt dem visionären Taugenichts Teofil, der am liebsten Frank Zappa wäre, den Laufpass.
Artur Beckers „Onkel Jimmy, die Indianer und ich“ ist eine bunte Harlekinade, ein
modernes Road-Movie in der Tradition des Schelmenromans. Jimmy und Teofil schlagen sich mit List, Lust und Lügen durchs Leben und sind am Ende heilfroh, dass die Welt – das Kaff Rothfließ in Polen –, die sie
hinter sich zu lassen hofften, sie wieder mit offenen Armen empfängt.
Saufen, Armut, Exil, Entfremdung, Schlitzohrigkeit, Ganoventum und Tom-Sawyer-Atmosphäre – aus diesen Komponenten setzt sich Beckers
slapstickartiger Roman, der in Klagenfurt dieses Jahr zwar keinen Preis gewann, aber von der Kritik positiv aufgenommen wurde, zusammen. Alles in allem schön zu lesen, ganz besonders wegen der präzisen
Personenzeichnung, hin und wieder jedoch zu durchschaubar.
© Andreas Burkhardt
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